Hallo,
Ich habe im Urlaub eure Beiträge gelesen und mir vorgenommen, dann von zu Hause aus meinen Senf dazu zu geben.
Ich wohne seit meiner frühen Kindheit in einem Außenbezirk von Graz. Hier gab es eine ganze Menge von "Greißlern".
Quer über die Straße war ein Fleischhauer. In der Auslage, deren Fensterbank fast in Bodenhöhe war, stand eine große Dose (geschätzt etwa 5 Liter) mit Essiggurkerln. Da schaute ich immer sehnsüchtig hinein, wenn Mama mit mir einkaufen ging. Meist schenkte mir die Verkäuferin dann ein Gurkerl.
Im nächsten Häuserblock gab es den ersten Greißler, dort kaufte Mama kaum ein.
Im übernächsten Block gab es eine "Markthalle". Da war zuerst ein Fischgeschäft, geführt von einer Frau, die wir "Fischerlfrau" nannten. In der kühleren Jahreszeit lagen da Bücklinge in der Auslage. Da mein Papa Ekel vor Fisch hat, kaufte Mama dort nur etwas, wenn Papa auswärts Dienst machen musste.
Das zweite Geschäft war das Milchsondergeschäft Sch., das vom Ehepaar Sch. geführt wurde. Frau Sch. war meist vormittags nicht im Geschäft, weil sie zu Hause kochte. Herr Sch. versteckte sein Geld im ganzen Geschäft und brachte es ein paarmal pro Tag zur Bank, wie er es eben mit seiner Frau einteilen konnte. Meist hatte er so wenig Geld im Laden, dass er Mühe hatte, auf etwas größere Scheine herauszugeben. Wenn das der Fall war, suchte er im ganzen Laden in seinen Verstecken nach Wechselgeld, ging gar nichts mehr, so ging er zum Nachbarn zum Wechseln. Verkauft wurde offene Milch und Milch in Flaschen. Später hatte er auch "Babymilch". "Babymilch" war Milch mit natürlichem Fettgehalt, die besonders frisch in den Verkauf kam und unter besonderen Hygienebedingungen hergestellt werden musste. Diese Milch gab es sicher schon ab 1965 und sie war in Halbliterpackerln gefüllt. Milch in Plastikbeuteln gab es hier beim Milchhof Graz nicht.
Das dritte Geschäft war das größte und hatte zwei Türen: bei der einen ging man hinein, bei der anderen hinaus. Herr und Frau Sk. betrieben das Geschäft schon in zweiter Generation. Sie hatten alles, was man halt so täglich braucht, vom Zucker bis zum Mehl, von der Schokolade zum Essig usw. Das WC-Papier wurde in einzelnen Rollen verkauft und stand in einem Regal über der Tür. Wenn man ein WC-Papier wollte, so nahm Herr Sk. eine Stange mit einem Haken, gab einer Rolle einen Schubs und fing sie elegant auf. Sein Schwerpunkt lag bei Obst und Gemüse. Einen Teil davon baute die Familie auf einem eigenen Acker an, außerdem fuhr Herr Sk. in aller Früh auf den Gemüsegroßmarkt in Graz und holte dort das, was er selbst nicht anbaute.
Das dritte Geschäft war ein Fleischhauer mit all dem, was ein Fleischhauer gewöhnlich im Sortiment hat. Auch dieses Geschäft wurde von einem Ehepaar, Herrn und Frau E., betrieben.
Dann kam noch ein Fleischhauer mit dem Schwerpunkt auf Wild und Hühnern.
Schräg gegenüber gab es einen weiteren Fleischhauer.
Ging man etwa 500 m weiter, so kam ein Konsum, gegliedert in den Lebensmittelbereich und den Textilbereich. Beim Lebensmittel-Konsum konnte man eine "Fassung" bestellen: Man bestellte Waren, die dann meist von einem Lehrmädchen ins Haus geliefert wurde.
Dann gab es noch einen Milchkiosk und zwei Bäckereien (eine davon existiert heute noch, aber unter anderem Namen)
In die andere Richtung gab es noch einmal einen Konsum. Hier erinnere ich mich gut an Herrn P., einen älteren Verkäufer mit runder Nickelbrille, über die er schaute, wenn er in die Ferne sah. Herr P. war schrecklich neugierig und wollte immer wissen, was die Kundinnen so miteinander redeten. Wenn man dann ein Kilo Mehl und ein Kilo Zucker gleichzeitig orderte, weil man wusste, dass die im Regal nebeneinander standen, so merkte Herr. P. sich das nicht, weil er nur auf den Tratsch hörte. Für uns Kinder war das immer eine Belustigung, für die Erwachsenen, die es oft eilig hatten, war das nicht so angenehm.
Und heute?
Konsum machte einen Supermarkt (coop), der heute ein Merkur ist. Fast alle der "Kleinen" hörten auf.
Nur den Bauernmarkt gibt es immer noch und er erfreut sich steigender Beliebtheit bei Jung und Alt.
In Stainz habe ich im Kaufhaus Hubman etwas gefunden, was man als "Greißler 2000) bezeichnen könnte: ein Markt mit einer enormen Auswahl auf kleinem Raum, jeder im Laden macht alles, kennt die Ware, den Standort usw. Man bekommt sogar noch Kochgeschirr, nach dem man oft bei den "Großen" lange suchen müsste. Man kennt die Kunden und deren Vorlieben. Es gibt einen Lebensmittelteil (der größte), Papier (mit Postannahmestelle), einen Teil für Unterwäsche, einen Teil für Kleidung und einen Teil für Drogerieartikel. In jedem Teil steht eine eigene Kassa. Und dann gibt es noch ein Café mit zwei Tagesmenüs.
Dass es in Stainz noch einen Fleischhauer und zwei Bäckereien gibt, macht die Sache schön rund.
Nostalgische Grüße,
Uli