Hungrige Esel und weiße Mützen
Fruchtbare Böden und ausreichende Wasservorkommen waren und sind in Griechenland dünn verteilt und das levantische Sprichwort „Wo ein Esel Hungers stirbt, leben drei Griechen wohlauf“ spielt auf die einfache, aber auch einfallsreiche Lebensweise und Küche des Landes an. Und so wird vieles Zutat, das für Nichtgriechen kaum unter „essbar“ abgespeichert ist: Weinblätter, Sauerampfer, Gänseblümchen oder Seeigel. Auf den wenigen fruchtbaren Inseln wie Korfu spielt der Anbau von Melonen, Feigen, Paradeisern, Orangen, Zitronen und Trauben eine große Rolle.
Die Gastfreundschaft in Griechenland sucht seinesgleichen. Auch diese nationale Eigenschaft fußt auf der griechischen Mythologie, denn man konnte nie wissen, ob sich hinter dem Fremden, der vor der Tür stand, nicht der inkognito reisende Zeus verbarg.
In manchen Dörfern ist es noch immer üblich, den Wirt in die Küche zu begleiten, um zu sehen und zu schnuppern was in den Töpfen brodelt und im Ofen brät. Diese griechische Tradition hat sich in den touristischen Gebieten leider ziemlich verloren. Und auch wenn Sie in der Küche den Koch ohne Mütze antreffen: Es heißt, die Kochmützen haben ihren Ursprung in Griechenland. Als die Berufsköche vor Piraten in die griechischen Klöster flüchteten, gab man ihnen anstelle der schwarzen Mönchshüte die weißen Mützen.
Ein abendliches „Symposio“
Die Griechinnen und Griechen essen am liebsten gemeinsam mit ihrer paréa, ihrem Freundeskreis. Das gemeinsame Essen mit Freunden ist eine alte Traditionund eine gute paréa ist genauso wichtig wie das Essen selbst. Immerhin heißt das betagte griechische Wort Symposio wortwörtlich übersetzt „Ich trinke mit Freunden“. Dabei wird kaum zu Hause aufgekocht, sondern man isst auswärts. In geselliger Runde bestellt niemand für sich allein und ein bunter Schwung an mezédes (Vorspeisen) füllt den Tisch. Jeder nimmt sich von den Leckereien, was er mag. Auch beim Hauptgericht ist es üblich, dass man gleich zwei Kilo paidákia (Lammkoteletts) oder eine Kilo Spanferkel für die paréa bestellt.
„Mezédes für alle“
So einfach die griechische Küche auch sein mag, bei der Zubereitung der mezédes bieten die Griechenviel Fantasie auf. Köstlich, der taramosálata, ein kaltes, rosa-rötliches Püree aus Fischrogen, eingeweichtem Weißbrot oder geriebenen Erdäpfeln, Zwiebeln, Salz, Zitrone und Olivenöl. Das Püree ist auch eine beliebte Beilage in der Fastenzeit, in der üblicherweise kein Fleisch gegessen wird. Ein Muss ist das tzatzíki aus Joghurt, geriebener Salatgurke, Knoblauch, Zwiebeln und Olivenöl. Für Dolmádes werden Weinblätter mit Reis gefüllt; lachanodolmádes werden mit Kohlblättern zubereitet und anthoús mit Zucchiniblütenblättern (vor allem auf Andros). Weiter geht es mit Oliven, gigantes (Bohnen) in Paradeissauce, Knoblauchcreme, fáva (würziges Erbsenpüree) und chtapódi xidáto, in Essig und Öl eingelegte Krakenstücke.
Ein Stück pita, eine Pastete aus Strudelteig mit allen nur erdenklichen Füllungen (Käse, Spinat, Zucchini, Fleisch) ist schon kaum mehr Vorspeise zu nennen, sondern kann eine veritable Hauptspeise ergeben. Eine Spezialität auf Mykonos ist kremidopita, eine mit Zwiebeln gefüllte Pastete.
Niemals fehlen darf psomí (Brot), das schon auch mal als Besteck dient und mit dem sich das letzte bisschen tzatzíki vom Teller tunken lässt.
Am Wasser und unter der Erde: Tavernen
Was könnte wohl die Atmosphäre eines Mahls in der Abendsonne in einer kleinen Taverne im Hafen von Zakynthos übertreffen? Die Tavernen sind einfach und ohne Schnickschnack eingerichtet. Wer ein feineres Ambiente vorzieht und wem ein Tischtuch unverzichtbares Accessoire eines Mahls ist, der ist in einem Éstiatório besser (und teurer) aufgehoben.
In den „Tablett-Tavernen“ Athens ist kein Blick in die Speisekarte nötig: Die Kellner kommen mit einem Tablett an den Tisch, auf dem viele Teller zeigen, was die Küche zu bieten hat. Wenn es kühler wird, erfreuen sich die Keller-Tavernen großer Beliebtheit. Eine Spezialität dieser dunklen Kellerlokale sind Stockfischgerichte.
In den uozerí geht es vor allem um Ouzo, Raki oder Wein. Allerdings werden in den kleinen Lokalen auch mezédes angeboten, denn schließlich soll der kräftige Ouzo nicht gleich zu Kopf steigen.
Ein Backofen für das ganze Dorf
Noch immer tragen die Frauen in griechischen Dörfern Sonntag vormittags die mit Rosmarin und Meersalz gewürzten Hühner oder andere Gargerichte in der Kasserolle zum Dorfbäcker. Der vom morgendlichen Backen noch warme Ofen hat Platz für das Mittagessen der halben Dorfbevölkerung und gibt die Speisen zur Mittagszeit wieder frei, ein betörender Duft!
Das mag auch der Grund sein, warum viele Gerichte schon aus Gewohnheit lauwarm serviert werden. Denn auf dem Weg vom Dorfbackofen zum eigenen Küchentisch kühlten die Speisen leicht aus. Dass die gegarten Speisen selten heiß auf den Tisch kommen, daran stoßen sich bloß Touristen.
Klassisches und Würziges
Die griechischen „Klassiker“ findet man auf den Speisekarten von Thessaloniki bis nach Kreta. Dabei steht vielleicht an erster Stelle moussaká, ein Auflauf aus Melanzani, Erdäpfeln und Faschiertem, überzogen mit Bechamelsauce. Auch gíros sind in aller Munde: Schweine- oder Lammfleisch wird auf großen Drehspießen gegrillt; beständig wird die äußerste Schicht abgeschabt und entweder vor Ort auf einem Teller serviert oder als Snack mit Zwiebeln, tzatzíki, Paradeisern und Kräutern in ein Stück Fladenbrot gefüllt. Juvétsi, im Tontopf gegartes Rindfleisch, wird meist mit Kritharaki serviert. diese kleinen Gerstennudeln sehen wie Reiskörner aus und werden mit viel Flüssigkeit, Öl und Gemüse im Rohr gegart.
Eine Spezialität der Region Pilion ist spetsofái, ein Eintopf aus Wurst, Zwiebeln, Paradeisern, Melanzani und Paprika. Gewürzt wird jeder Eintopf mit Bohnenkraut. Die Verwendung von Kräutern und Gewürzen hat in Griechenland eine sehr lange Tradition. Gewürzt wird nicht zu stark, aber beständig; scharf gewürzte Gerichte findet man selten. Oregano, Thymian, Salbei, Bohnenkraut, Lorbeerblätter und Rosmarin bestimmen das Würzen.
Verwegen wird das stifádo, ein Kalbsgulasch mit ganzen Zwiebeln, mit Zimt, Gewürznelken und Kreuzkümmel gewürzt. Das Gulasch wird auch mit Lammfleisch zubereitet; in der Jagdsaison wird Kaninchenfleisch verwendet. Minze verleiht den Fleischbällchen keftédes bzw. biftéki einen feinen Geschmack. Viel schärfer wird es bei den békri méze; die gut gewürzten Fleischstücken werden mit einer Käsesauce zubereitet. Kaum eine Speise verzichtet auf das fruchtig-saure Aroma der Zitronen; die Fleischbällchen in Ei-Zitronen-Saucefinden sie unter dem Namen giouverláki.
Deftige Suppen für Übriggebliebene
Nachtschwärmer zieht es - vor allem in Athen - zu den Markthallen. Von Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden ist zwar nichts von den Nahrungsmitteln zu sehen, die tagsüber auf Käufer warten, doch einige Markttavernen sind rund um die Uhr geöffnet und versorgen die Marktarbeiter nach getaner Nachtschicht - und die hungrigen Partytiger - mit einer kräftigen Suppe.
Patsá, eine Suppe aus Kutteln und anderen Innereien ist eines der traditionellen Gerichte der Marktarbeiter. Auch gída, eine Ziegenfleischsuppe, stärkt für den Weg nach Hause.
In Tavernen steht meist fassaoulda/Fasolada auf der Karte; die typische Bohnensuppe ergibt eine sättigende Hauptmahlzeit. Auf Vorbestellung bekommt man hier auch die Fischsuppe kakaviá, bei der der Fisch extra serviert wird.
Köstliches von Lamm undZiege
Die kargen und bergigen Weiden Griechenlands bieten hauptsächlich Schafen und Ziegen optimale Lebensbedingungen. Das schlägt sich natürlich auf die Speisekarte der Griechen nieder, in Form von Käse, Joghurt, Lamm- und Ziegenbraten. Féta, der Weichkäse aus Schafs- oder Ziegenmilch, wird aufgrund der Hitze in Salzlauge aufbewahrt, so bleibt er länger haltbar. Die Käserei hat in Griechenland lange Tradition, und schon in der Odyssee wird geschildert, wie zu damaliger Zeit Käse hergestellt wurde. Auf Kreta wird ganz besonders köstliches jaóurti (Joghurt) hergestellt.
Arnaki (Lamm) wird am Spieß als Arní súwlas über offenem Holzkohlenfeuer gegrillt und währenddessen immer wieder mit Olivenöl und Zitronensaft bestrichen. Auf Naxos bereitet man arnaki und katsiki (Ziege) auch gefüllt mit Innereien, Zwiebeln, Reis, Dill und Käse zu. Kleftikó, einen Eintopf aus Erdäpfeln und Hammelfleisch, findet man vor allem auf den Ägäisinseln und auf Kreta. Serviert wird das Partisanengericht gleich in der Kasserolle, abgedeckt mit Alufolie. Die nicht ganz edle Abdeckung ist eine Reminiszenz an die Befreiungskriege gegen die Türken. Die Partisanen, die sich damals in den Bergen verborgen hielten, wurden nächtens von ihren Familien mit Nahrung versorgt. Damit die Gerichte nicht so schnell auskühlten und die Besatzer den verräterischen Duft nicht riechen konnten, wurden die Töpfe sorgfältig verschlossen und eingewickelt.
Souvlaki gehört zu den Lieblingsgerichten der Griechenland-Touristen. Die Hammelspieße mit Zwiebelstücken werden über Holzkohle gegrillt und mit Zitrone angerichtet. Die vielen Spieß-Gerichte sind ein Relikt der alten Hirtenkultur. Hinter dem Namen kokoŕetsi verbirgt sich eine Delikatesse:in Darm gewickelte und gegrillte Innereien.
Morgens am Hafen
Drauf sollten Sie bei keinem Griechenland-Besuch verzichten: Am Morgen zum Hafen spazieren, fangfrischen Fisch für das Abendessen einkaufen und danach in einer kafenía, einem traditionellen Kaffeehaus einen griechischen Kaffee nehmen.
Die auf Wäscheleinen zum Trocknen neben den Tavernen aufgehängten oktapódi (Oktopus) sind ein vertrautes Bild bei einem Spaziergang durch das Dorf. Die Polypenarme werden in Stücke geschnitten und in Öl, Essig, Pfeffer und Kräutern eingelegt. Auch über Holzkohlenfeuer gegrillt, als stifádo oder in einer Weißweinsauce ein Genuss.
Barboúnia, die Rotbarbe, gehört zu den delikatesten und beliebtesten Mittelmeerfischen. Am besten schmecken die noch kleineren Barben, die im Ganzen auf dem Holzkohlengrill zubereitet werden. Als Vorspeise werden marídes (Sardinen) serviert, die samt Haut und Gräten gegessen werden. Xifías (Schwertfisch) wird weit draußen im Meer gefangen; beliebt ist der Fisch ob seines nahezu grätenfreien Fleischs. Auf Spetses wird eine Besonderheit serviert: a nchini jemisti, gefüllte Seeigeln.
Begeisterung für Gemüse
Das ganze Jahr über leuchten die Märkte in den Farben der vielen Gemüsesorten, die angebaut werden. Das milde Klima und die vielen Sonnenstunden sorgen in Griechenland für besonders schmackhaftes Gemüse und Obst; alles kann dort ausreifen, wo es wächst.
Eine herrliche kleine Mahlzeit ist choriátaki, der griechische Bauernsalat aus Salatgurken, Paradeisern, Zwiebeln, Oliven undféta. Für Imám Baíldi werden Melanzani mit Paradeisern und Zwiebeln gefüllt. Der Name kommt aus dem Türkischen und darf als Empfehlung verstanden werden: „Der Imam fiel vor Begeisterung um“. Anginares, Artischocken, werden mit weißen Bohnen, Zwiebeln, Dill, Zitronensaft und dem unverzichtbaren Olivenöl zubereitet. Die tomátes jemistés, mit Reis gefüllte Paradeiser, gibt es für Fleischliebhaber auch mit Faschiertem. Zucchini, Melanzani, Paprika und Paradeiser werden gemeinsam mit Erdäpfeln für briám im Backrohr geschmort. Beim Zubereiten der bámies (Okraschoten) ist Sorgfalt geboten, denn die schleimige Flüssigkeit im Inneren der sechskantigen grünen Frucht soll beim Kochen nicht austreten. Allerdings eignet sich der Schleim des äthiopischen Gemüses hervorragend zum Eindicken von Suppen von Saucen.
Süßes vom Löffel und Honigbäche
Es ist nicht selbstverständlich, in dem Lokal, in dem sie ihr Mahl eingenommen haben, auch ein Dessert vorzufinden. Dafür suchen Sie am besten einen Zacharoplasteíon, eine Konditorei, auf. Der Duft nach Zimt und gebrannten Mandeln wird Ihnen den Weg zu einem dieser Süßwarentempel weisen.
Die Süßspeisen sind meist türkischen Ursprungs oder leiten sich aus der alten byzantinischen Küche her. Dementsprechend süß und schwer können sie dann auch sein, wie z. B. bakláva, rautenförmig geschnittene Kuchen aus Blätterteig oder Strudelteig, üppig gefüllt mit Honig, Nüssen und Zitronensaft. Thasos rühmt sich der besten bakláva Griechenlands; hier wird der Teig mit Walnüssen zubereitet und intensiv gewürzt. Beliebt sind glikótou koutalioú, in Zucker, Wasser und Zitronensaft eingelegte frische Früchte, z. B. die Damaszenerzwetschken von Thasos. Diese süßen Happen werden Gästen beim Besuch gleich nach dem Eintreten auf einem Löffel angeboten. Überhaupt gibt eine große Vielfalt der „Süßigkeiten vom Löffel“.
Chalvadópittes, Oblaten mit türkischem Honig, sind eine Spezialität der Insel Síros. Auf der Insel Ägina wiederum muss man reváni probieren, einen Pudding aus Orangensaft, Grieß, Eiern und Butter mit dem Geschmack nach Madeira. Zu den köstlichsten süßen Versuchungen gehören loukoumádes, in heißem Öl herausgebackene Germteigkugeln, die mit Honig übergossen und mit Sesamsamen bestreut werden. Honig ist auch eine wesentliche Zutat der halvá; zusammen mit gemahlenen Sesamsamen wird daraus ein knusprig-süßes Gebäck.
Gesunde Kreter und Gelbes Gold
Olivenhaine, Zypressen, Weingärten und kleine Gemüsefelder ziehen sich über die Sonneninsel Kreta, deren Bewohner sich über einen guten Stoffwechsel, geringes Herzinfarkt- und Krebsrisiko freuen können - ein Verdienst der mittlerweile berühmten Kreta-Küche. Unter der Kretakost versteht man die ursprüngliche und einfache Nahrung der Bewohner Kretas seit hunderten von Jahren. Viel Obst und Gemüse, Pprodukte aus Schaf- und Ziegenmilch, Honig, Meerestiere, Lammfleisch und vor allem das Olivenöl, das Herz der Kreta-Küche, sind Bestandteile der „Kreta-Diät“.
Die Olivenbäume mit ihren knorrigen Stämmen wachsen verteilt auf der ganzen Insel; am liebsten haben sie aber doch die Nähe zum Meer. Jeder einzelne Baum wird von seinen Besitzern mit besonderer Aufmerksamkeit gepflegt, denn er ist Teil ihres Lebens und liefert einen wichtigen Beitrag zu ihrer Ernährung. Bis zu 600 Jahre alt können die „Bäume des Lebens“ werden und die Oliven eines Baumes gehen durch die Hände von bis zu 40 Generationen. Olivenöl enthält ca. 77 % ungesättigte Fettsäuren und ist cholesterinfrei, somit das gesündeste Fett, das wir zu uns nehmen können. Von dunklem Grün bis zu hellem Gelb reicht die Farbgebung beim Olivenöl und auch geschmacklich gibt es unzählige Nuancen bis hin zum Aroma von frisch gemähtem Gras, Heu und Apfel. Hervorragendes Olivenöl gibt es aber nicht nur in Kreta; viele andere Regionen, unter anderem Messenien, sind berühmt für ihr Gelbes Gold.