Frohe Weihnachten & Happy Birthday!
Einst im wunderschönen Salzburger Land entstanden, feiert das – möglicherweise – berühmteste Weihnachtslied der Welt heuer, 2018, seinen 200. Geburtstag: "Stille Nacht, Heilige Nacht". Anlässlich dieses großen Jubiläums erschien erst kürzlich ein weihnachtliches Kochbuch der besonderen Art: "Europäisches Weihnachtskochbuch". Buchautor, Kultur- und Kulinarikvermittler Taliman Sluga trug dafür im Laufe der letzten zehn Jahre zahlreiche weihnachtliche Brauchtümer, Rezepte, Traditionen und Spezialitäten der einzelnen europäischen Länder zusammen.
"Europäisches Weihnachtskochbuch": Die ausführliche Rezension!
Im Gespräch mit ichkoche.at erzählt Sluga von den Anfängen dieses besonderen Projekts, dem Zusammenhang von Weihnachten & Essen – und gewährt uns einen "Blick über den Keks-Tellerrand" ins restliche Europa und dessen (kulinarische) Weihnachtsbrauchtümer…
Wie das Bewusstsein des eigentlichen Sinns von Weihnachten schwindet, verschwinden leider auch die traditionellen Speisen...
Herr Sluga, wie kam es zur Idee zu diesem entzückenden Weihnachtsbuch? Ist die Veröffentlichung im Stille-Nacht-Jubiläumsjahr nur geglückter Zufall, oder war das von Projektbeginn an so geplant?
Vor 10 Jahren entwickelte ich zusammen mit Heinz Leitner ein Konzept zum "Stille Nacht Advent der Kulturen" im Tourismusort Wagrain. Dazu gehörten ein regelmäßiger, "stiller" Adventmarkt mit Gästen aus anderen Ländern, die dort (Kunst-) Handwerk, Kulinarisches und einen Beitrag zum Adventkonzert mitbrachten. Ein weiteres Element war die Idee, Weihnachten in Europa kulinarisch nach zu spüren – schon mit dem Ziel 2018, das gesammelte Material in ein Kochbuch zu verdichten.
Warum hat "Stille Nacht" gerade für die Region Wagrain-Kleinarl, in welcher dieses Buch entstand, eine solch große Bedeutung?
Wagrain ist einer der "Stille Nacht Orte" in Salzburg, weil ja Josef Mohr, der Textdichter, hier gewirkt hat und auch hier begraben ist.
Was sämtliche europäische Kulturen, bzw. Länder miteinander gemein haben: Das gemeinsame Genießen traditioneller Gerichte hat zu Weihnachten einen hohen Stellenwert. Warum ist das so?
Traditionell gibt es zu hohen Festtagen und anderen Feierlichkeiten – wie Taufe, Hochzeit, Begräbnis – auch festliche Speisen, insbesondere zu Weihnachten, in der Zeit der Wintersonnenwende und des Jahreswechsels. Die traditionellen Speisen haben natürlich auch ihre Grundlage in den regionalen Lebensmitteln, ergänzt durch besondere, meist teure, importierte Zutaten wie Südfrüchte oder Gewürze.
Warum also waren und sind Weihnachten & Essen, vereinfacht gesagt, bis heute in so vielen verschiedenen Kulturen untrennbar miteinander verbunden?
Weihnachten ist am Ende einer mehrwöchigen Fastenzeit, dieses Ende wird dann auch gebührend kulinarisch und im großen, familiären Kreise begangen – ähnlich wie zu Ostern.
Abgesehen vom gemeinsamen Essen & Trinken: Was haben die Weihnachtsbräuche- und Traditionen der unterschiedlichen europäischen Länder noch gemein?
Bei den Weihnachtsbräuchen findet man häufig Anlehnungen an die Geburt Christi im Stall von Betlehem. Stroh, Feuer, Licht und Wärme spielen in der Zeit des kurzen Tageslichts eine besondere Rolle. Im Advent, an den Weihnachtsfeiertagen und zu Silvester haben aber auch viele Bräuche zur Zukunftsdeutung, die jetzt nicht direkt mit dem christlichen Hintergrund korrespondieren, Hochsaison. Ebenso wie verborgene Wesen, Wichtel, Gnome, Hexen, etc.
Und wodurch unterscheiden Sie sich am meisten?
Am Balkan und im Osten Europas gibt es das Weihnachtsholz, das um den Weihnachtsabend brennen soll – in Belgien oder Frankreich gibt es ein Süßes Pendant dazu – was anderswo nicht bekannt ist. In Skandinavien und im Baltikum sind gehäuft Trolle und Wichtel in Aktion: Nisser, Tompte, Tonntu. In Italien gibt es im Advent und bis zu den Heiligen Drei Königen zahlreiche Gelegenheiten, die Kinder zu beschenken, in Tschechien wiederum findet man in dieser Zeit ungewöhnlich viele Bräuche zur Zukunftsdeutung. In Großbritannien ist Weihnachten beinahe ein lautes, faschingsartiges Spektakel.
Bei uns in Österreich ist die gesamte (Vor-) Weihnachtszeit aus kulinarischer Sicht bekanntlich eine sehr süße Angelegenheit: Schokonikolo, Vanillekipferl & Co. lassen grüßen. Ist das nur bei uns so, oder ist das Naschen auch in anderen Ländern untrennbar mit der Weihnachtszeit verbunden?
Ja, natürlich, zum Beispiel streiten sich das Erzgebirge und Dresden um die Ehre der Erfindung des Weihnachtsstollens, aber den gibt’s ja auch bei uns. Ein ganz ähnliches Weihnachtsgebäck gibt es im Süden Österreichs, in Slowenien und auch im Friaul: Diese Nussroulade heißt dann Potitze, Potica, Gubana. In Portugal und Spanien ist der Königskuchen, voll mit Trockenfrüchten, beliebt. Der Panettone in Italien und der Schweiz ist ja auch damit verwandt. In den Niederlanden werden jährlich um die 20 Millionen selbst gebackene oder gekaufte süße Buchstaben verspeist.
Im Vorwort Ihres Buches schreiben Sie, die präsentierten Traditionen und Bräuche wären aufgrund der großen Menge "blitzlichtartig" ausgewählt worden. Nach welchen Kriterien wurden die schlussendlich vorgestellten weihnachtlichen Bräuche, Traditionen und Speisen ausgewählt?
Die Bräuche habe ich aufgelistet nach dem Motto Gemeinsames, Ähnliches und Unterschiedliches: Dass es zum Beispiel Länder gibt, wo es keinen Nikolaus oder Adventkranz – wie in Litauen – gibt oder der Christbaum ein Symbol für den Baum der Welt darstellt, wie in Griechenland. Die Speisen sind aus dem jeweiligen gesamten, weihnachtlichen, kulinarischen Kanon ausgewählt, sodass jede und jeder mit durchschnittlichen Kochfähigkeiten, durchschnittlicher Küchenausstattung und durchschnittlichen Einkaufsmöglichkeiten die Gerichte in überschaubarem Zeitrahmen zubereiten kann. Dabei sind sie aber trotzdem sehr landestypisch.
Wie haben sich diese kulinarischen Weihnachtstraditionen- und Bräuche der einzelnen Länder mit den Jahren verändert? Ging da vieles verloren, wurde da vieles ersetzt?
Mittlerweile haben in vielen Ländern der globalisierte Truthahn, wie auch der Weihnachtsmann Einzug gehalten. In Wagrain gibt es zwar immer noch in mehr als der Hälfte der Familien am Heiligen Abend die Würstelsuppe, aber immer mehr wird sie – oder auch das obligate Bratwürstel – abgelöst von Raclette und Fondue. Wie das Bewusstsein des eigentlichen Sinns von Weihnachten schwindet, verschwinden leider auch die traditionellen Speisen. Interessant ist für mich aber, dass nichtsdestotrotz die Bäckereien – bei uns also Kekse, Stollen, etc. – Bestand haben.
Abschließend sind wir neugierig! Welcher europäische Weihnachtsbrauch hat bei Ihnen besonderen Eindruck hinterlassen, sie besonders fasziniert, überrascht, erheitert oder gerührt…?
In Serbien wird das Weihnachtsholz, das ja im städtischen Umfeld nicht mehr angezündet werden kann, eine Transformation zum "Badnjak", einem Strauß aus Getreide, Immergrün und trockenen Eichenästchen, erfahren. Die Tradition, das Christkind zu wärmen, bleibt, aber die Form hat sich gewandelt. Der Bûche de Noël ist dazu im westlichen europäischen Festland eine simple, aber köstliche Variante des Weihnachtsholzes. Die Vielfalt der Bräuche, vor allem in Tschechien, um die Zukunft zu deuten oder zu beeinflussen hat mich fasziniert. Vom Schuhwerfen über Äpfel aufschneiden, vom Strohhalm ziehen bis zum Verwenden der Weihnachtskarpfenschuppen, dem Einbacken von Münzen, Bohnen oder Figuren in den Königskuchen, das gibt es Sonderzahl. Jetzt hat für mich auch das Lucialied, wie es beispielsweise in Italien und Schweden am 13. Dezember gesungen wird, auch eine tiefere Bedeutung gewonnen. Am köstlichsten finde ich aber die spanischen Caganer – deutsch: "Scheißerle" – Figuren, die in der namensgebenden Haltung, oft Portraits von bekannten Personen, im Krippenensemble aufgestellt werden.
Wir danken für das Gespräch & wünschen frohe Weihnachten!
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