Dennoch ist gerade die Vorarlberger Küche auch als eine autochthone Küche zu bezeichnen, da sie viele Gerichte hervorgebracht hat, die unverwechselbar und in dieser Form auch auf Vorarlberg beschränkt sind. Und wie jede eigenständige Küche kann jene des Ländles daher auch auf ihr historisches Standardwerk verweisen.
In dem gegen Ende des 10. Jahrhunderts erstmals erschienenen "Dornbirner Kochbuch" von Anna Wehinger werden, da es sich als Grundkochbuch verstand, jedoch nicht nur Vorarlberger Gerichte beschrieben.
Aufgrund des Reichtums der Handels- und Industriebetriebe in den Tallagen ist die Küche der "Gsiberger" einerseits eine altdeutsch geprägte Bürgerküche mit starken Allgäuer und auch schwäbischen Akzenten. Andererseits gibt es Einflüsse einer klassischen Bergbauernküche, die vor allem von der Milch- und Viehwirtschaft bestimmt ist. Fleischgerichte spielen seit jeher - zumindest in der ländlichen Küche - eine eher untergeordnete Rolle, obwohl das Rind in Vorarlbergs Gebirgstälern weit verbreitet ist. Gerade das berühmte Montafoner Rind ist nämlich viel mehr wegen seiner hohen Milchleistung denn als Schlachtvieh von Bedeutung.
Ein unerschöpfliches Reservoir für bodenständige Vorarlberger Gerichte bilden die zahlreichen klaren Gebirgsgewässer des Ländles, vor allem aber der Bodensee mit seinem Reichtum an bekannten und weniger bekannten Süßwasserfischen vom Egli über den Felchen bis hin zur seltenen Trüsche.
Viel Augenmerk widmet man in Vorarlberg seit jeher der Obstbaumzucht, die einige hervorragende Schnäpse - z. B. den klassischen Vorarlberger Birnenschnaps namens Subirer (auch: Saubirer) sowie exzellente Brände der Sorte Gravensteiner und empfehlenswerte naturtrübe Säfte wie auch Most und Obstweine - hervorgebracht hat.
Eines der wesentlichen Fundamente der Vorarlberger Küche ist jedoch die hoch entwickelte Almwirtschaft dieses Bundeslandes, die ihre Nähe zur Schweiz weder verleugnen will noch kann. Von den Eidgenossen haben die Vorarlberger die Tradition der Fettkäserei schon übernommen, bevor sie sich auch in anderen Bundesländern durchsetzte. Im Zentrum der Molkereiwirtschaft stehen dabei vor allem Hartkäse, wobei im Sommer in höheren Regionen so genannte "Almkäse" hergestellt werden, während man zur Winterzeit in den Tälern "Bergkäse" und "Emmentaler" produziert. Landestypische Spezialitäten, die sich immer wieder auch in überlieferten Vorarlberger Rezepten finden, sind auch der würzige "Räßkäs’" sowie der aus Topfen erzeugte "Zieger". Wer jemals eine Montafoner Käsesuppe gegessen hat, weiß, dass dieses Rezept ohne die regionale Käsevielfalt völlig undenkbar wäre.
Käse spielt auch bei dem Vorarlberger Nationalgericht schlechthin eine Rolle, das im Rheintal "Spätzle" und im Bregenzerwald "Knöpfle" heißt und zumeist mit verschiedenerlei geschmolzenen Käsen serviert wird. Womit der Reichtum der Vorarlberger Teigwarengerichte aber noch keineswegs erschöpft ist. Auch "g’röste Spätzle", "sure Spätzl", "Krautknöpfle", "Spinatspätzle", "Leberspätzle" sowie zahlreiche Arten von "Nüdele" - geschnittene Nudeln - sorgen für Abwechslung im Speiseplan zwischen Lech und Hohenems.
Last but not least hat in Vorarlberg auch, wenngleich das manchen überraschen mag, das Kochen mit Wein eine alte Tradition. Die wenigen, aber durchaus nicht unergiebigen Vorarlberger Weingärten (im 16. Jahrhundert waren es noch 700 ha) liegen zwar durchwegs in rund 500 m Seehöhe, erzielen aber, etwa auf der berühmten Riede Ardetzenberg bei Feldkirch, sehr schöne Qualitäten. Und dass es mancherorts auch heute noch alte Weinpressen ("Torggel") zu bestaunen gibt, bringt fast einen Schuss Südtiroler Weinbaucharme nach Gsiberg, wo der Weinbau schon seit dem siebenten Jahrhundert bekannt ist.
Dass die Küche Vorarlbergs vor allem in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten von einer eher schlichten Gebirgsküche zu einer echten Feinschmeckerküche avanciert ist, verdankt sie dem boomenden Fremdenverkehr, nicht nur in der Arlberg-Region, sondern - vor allem zur Bregenzer Festspielzeit - auch am Bodensee. Die Vorarlberger Küche hat durch diese Entwicklung wesentlich an Raffinesse gewonnen, aber ihre Wurzeln dennoch nicht vergessen. Und das ist es auch, was die Küche dieses kleinen Bundeslandes letztlich zu einer wirklich großen macht.