Über Jahrhunderte hinweg wurden die überlieferten Rezepte der Azteken, Maya und Indianer angereichert durch spanische, aber auch asiatische, arabische und französische Einflüsse. Eine gelungene Synthese, denn die ausgeprägte eigenständige Tradition ist deutlich erhalten geblieben.
Viele der „neuen“ Nahrungsmittel, auf die die Eroberer Mexikos stießen, werden heute mit großer Selbstverständlichkeit in den Länderküchen anderer Kontinente verwendet. Erdäpfel, Bananen, Truthähne, Kakao, Avacodas, Bohnen, Mais, Erdnüsse, Chili, Paradeiser, Vanille und viele andere Nahrungs- und Genussmittel stammen aus dem Land der Azteken.
Kulinarische Abenteuer
Einige der schmackhaftesten und zum Teil auch gewagtesten kulinarischen Kreationen stammen aus Puebla - und vor allem von den Nonnen in Puebla. Die spanischen Nonnen, die das Kochen mit einer immensen Sorgfalt betrieben, vermischten indianische Zutaten mit spanischer Kochtradition und kreierten auf diese Weise köstliche neue Gerichte.
Ein wunderbares Beispiel dafür nennt sich Mole poblano, die Königin unter den mexikanischen Saucen. Die Zutatenliste hört sich reichlich verwegen an: Bittere Schokolade, Paradeiser, Chilis, Knoblauch, Nüsse, Gewürznelken, Sesam, Rosinen, Zimt u. v. m. treffen sich in einem Topf. Viele Stunden köchelt die Mole in großen Tontöpfen vor sich hin und wird schließlich über Hühnerfleisch oder Truthahn angerichtet.
Die Nonnen des Convento Santa Rosa in Puebla scheinen überhaupt sehr experimentierfreudig gewesen zu sein, und auch das Nationalgericht Mexikos stammt aus ihren Kochtöpfen. Chiles en nogada vereint die Farben Grün, Weiß und Rot auf einem Teller - die Farben der mexikanischen Flagge. In Zutaten ausgedrückt sieht dies folgendermaßen aus: Grüne Chilischoten werden mit Fleisch und Trockenfrüchten gefüllt und mit einer Walnuss-Obers-Sauce bedeckt. Die leuchtenden Granatapfelkerne und gehackte Korianderblätter vollenden die Farbkomposition.
Gelbes Gold Mexikos
Bei nahezu allen Hochkulturen des vorkolumbianischen Amerika bildete Mais die Grundlage der Ernährung. Mais wurde als heilige Pflanze verehrt; und im Popol vuh, dem heiligen Buch der Maya, ist festgehalten, dass der Mensch aus Mais erschaffen wurde. Die Bedeutung von Mais als Grundnahrungsmittel hat sich hin zur Gegenwart kaum verringert. Vor allem als Maismehl, dem speziell hergestellten Masa harina, findet Mais Verwendung.
Der kulinarische Mittelpunkt Mexikos: Tortillas
Tortillas repräsentieren die Basis der mexikanischen Küche, und schon der Aztekenkaiser Montezuma eröffnete seine Mahle immer mit Tortillas.
Die heißen runden Fladen aus Maismehl werden als Beilage serviert oder bilden die Grundlage für Snacks und Vorspeisen (antojitos). Nicht nur köstlich sind die Tortillas, sie werden auch als Besteck verwendet, und in den Garküchen haben sie gleich auch die Funktion eines Tellers inne. Sogar als Essensbehälter werden sie eingesetzt; das Essen für die Feldarbeiter wird ganz einfach in Tortillafladen gewickelt.
Je nach Zubereitungsart lassen sich die Tortillas zu eigenständigen, neuen Gerichten ausbauen:
Für Tacos werden die Tortillas mit Fleischstückchen belegt. Frittiert, knusprig braun, mit Koriander bestreut und eingerollt ein schneller Snack auf die Hand. Zu den Tacos werden Salsas serviert; eine pikante Sauce aus Paradeisern, Chili, Zwiebeln, Knoblauch, Koriander und Limonensaft.
Auch für Enchiladas werden die Tortillas mit Fleisch, Käse und Obers gefüllt. Anschließend werden die Fladen zusammengeklappt, in einer Auflaufform mit Käse und Chilisauce bedeckt und im Rohr überbacken. Das Verb enchilarse - sich an einem scharfen Gericht die Zunge und den Gaumen zu verbrennen - kann dabei durchaus als Warnung verstanden werden.
Für Tamales wird Maisgrieß in Maisblättern gedämpft; in Oaxaca bzw. in den subtropischen Gebieten werden Bananenblätter dafür verwendet. Veredelt werden die Tamales mit pikanten Füllungen und mole oder sie kommen als süße Leckereien auf den Tisch.
Scharf in Rot, Gelb, Braun und Grün
Chili-Schoten sind unverzichtbarer Bestandteil der mexikanischen Küche. Ein üppiges Potpourri an Chilisorten wird auf den Märkten angeboten. Farbenprächtig und formenreich hören sie auf den Namen Chipotle/Jalapeño, Rojo, Pulla, Guajillo, Piquín, Serrano, Pasilla, Cascabel u. v. m. Richtig eingesetzt, ist Chili nicht bloß „Scharfmacher“, sondern verleiht den Speisen verschiedene Geschmacksnuancen. In den mexikanischen Restaurants werden die scharfen Saucen aber ohnehin separat auf den Tisch gestellt; der nicht-mexikanische Gaumen kann sich also durch vorsichtiges Dosieren langsam an das Feuer gewöhnen.
Auf den Spuren der Maya in Yucatan
Auf der Halbinsel Yucatan stößt man auf viele kulinarische Spuren der Mayas, ergänzt durch Rezepte der Einwanderer aus dem Libanon. Dazu gehören pollo oder cochinita pibil; Hühner- und Schweinefleisch, das ursprünglich, nach altindianischer Tradition, im Erdloch gegart wurde. Heute tut es auch der Dampftopf, selbst wenn der typische rauchige Geschmack dabei das Nachsehen hat. Auf Yucatan wird generell nicht so scharf gekocht wie in anderen Teilen des Landes; dafür finden mehr Früchte und Gemüse Verwendung. Dekoriert mit Orchideen oder exotischen Früchten wird ein Essen auf Yucatan auch zu einem optischen Genuss.
Getrocknet und gebraten
Nicht nur im Norden Mexikos mit seinen großen Weideflächen kommen Fleischliebhaber auf ihre Kosten. In Oaxaca, der südmexikanischen Provinzhauptstadt am Pazifik, steht Cecina auf dem Speisezettel: Schweine- oder Rindfleisch wird pikant mariniert, anschließend getrocknet und schließlich kurz gebraten. Dazu gibt es meist Frijoles refritos, mit Gewürzen gekochte und mehrfach in Öl gebratene passierte Bohnen. Vor allem frijoles negros - die schwarzen Bohnen - werden in Mexiko verwendet.
Eine unverzichtbare Beilage ist natürlich Guacamole: Dem Avocado-Dip mit klein gehackten Paradeisern, Zwiebeln, Limettensaft und reichlich Chili kann kaum eine andere Vorspeise den Rang ablaufen.
Pozole und Ceviche
Eine Spezialität von Veracruz, dem Wasserreservoir Mexikos, ist Pozole veracruzano, eine Suppe aus weißem, sehr großkörnigem Mais, zu der Gemüse serviert wird.
Veracruz ist aber auch berühmt für seine Fischgerichte: Der huachinango á la Veracruzana veredelt den Rotbarsch in Tomatensauce, mit Oliven und Kapern. Auch in Acapulco werden hervorragende Fischgerichte zubereitet, z. B. Ceviche. Fischfilets und Meeresfrüchte garen in Limonensaft, gewürzt mit Chili, Zwiebeln, Paradeisern und Koriander.
„En la calle“
In den Garküchen und an den Ständen an den Straßen wird in den kleinen Öfen gebraten und gekocht. Tacos, Tortillas, Gemüsebananen, gebackene Süßkartoffeln, Chicarrón (knusprige frittierte Schweinsschwarte) und kalte Happen werden in Windeseile zubereitet und man isst gleich auf der Straße - en la calle eben.
Die kleinen, gefliesten Fondas haben sich direkt bei den Marktplätzen eingerichtet und die Zutaten für die Snacks gibt’s natürlich frisch vom Markt. Der Duft von Vanille und Zimt schwebt über den Markthallen, Ristras (Chili-Zöpfe) sorgen für rote Farbtupfer und tropische Blumen konkurrieren mit den farb- und formenreichen exotischen Früchten um Aufmerksamkeit. Die Musik dreier verschiedener Mariachis dringt gleichzeitig ans Ohr und der Klangteppich begleitet das schnelle Mahl.
Kulinarische Mutproben
Wer Lust darauf verspürt, kann weit auf den kulinarischen Spuren der Azteken wandeln und Maguey-Würmer in Sauce probieren.
Auch der Huitlacoche („schlafender Kot“) ist verbunden mit dem aztekischen kulinarischen Erbe; ein schwarzer Pilz, der auf Maisstauden gedeiht und Maisbeulenbrand hervorruft. Als Delikatesse wird er heute zum Füllen von Tacos oder für Suppen und Tamales verwendet.
Ein außergewöhnlicher Snack wird an den Ständen in Oaxaca angeboten: Heuschrecken. Die Chapulines werden nach dem Fangen in heißem Wasser gewaschen, in der Sonne getrocknet, frittiert und mit Chilis und Limettensaft gewürzt; knusprige antojitos für zwischendurch.
Fruchtiges
Die Blätter und Früchte des Ohrenkaktus werden schon von den Azteken und Mayas in der Küche und als Heilmittel verwendet. Die geschälten Blätter des Ohrenkaktus, die Nopalitos werden für Salate, Reis- oder Gemüsespeisen verwendet; die Früchte, die, Tunas, ergeben einen erfrischenden Fruchtsaft.