Es duftet nach… Lebkuchen!

Zu Gast bei Pirker

Wer eine Pilgerreise tut, der kann was erzählen... Erst recht nach einer "Genussreise" zum berühmtesten Lebzelter Österreichs, dem Pirker im kleinen, geschichtsträchtigen Wallfahrtsort Mariazell! Die "amtierende Pirkerin" Katharina Pirker empfängt uns in ihrem gemütlichen Lokal "Pirker am Hauptplatz". Sie leitet das Traditionshaus aktuell in 6. Generation - und das mehr als erfolgreich, wie wir schon bald feststellen werden...

Die Ur-Ur-Großmutter hat begonnen, in der 'oiden Kuchl' Lebkuchen zu backen...

Beim Eintritt in das gemütliche Lokal wird uns trotz trübem Regenwetter sofort warm ums Herz: Honigsüßer Lebkuchenduft liegt in der Luft, die sonnige Gastgeberin & fleißige Betriebschefin Katharina Pirker strahlt uns schon von weitem entgegen. Mehr als 170 Jahre schon ist ihre Familie untrennbar mit der Lebzelterei verbunden: "Die Ur-Ur-Großmutter hat begonnen, in der 'oiden Kuchl' Lebkuchen zu backen, um ihn den Gästen mitzugeben, als Proviant für die Reise." Die ältesten Lebkuchenrezepturen der Familie Pirker können heute bis ins Jahr 1926 zurückverfolgt werden – seither wurde die geheime Grundrezeptur für den Pirker'schen Lebkuchenteig nie geändert!

In Wallfahrtsorten wie Mariazell hat das Lebzelter-Handwerk seit Jahrhunderten Tradition: "Die Pilger brauchten für den Nachhauseweg Proviant, dafür war der Lebkuchen bestens geeignet: Durch den hohen Honiganteil ist er lange haltbar, sehr nahrhaft und schmackhaft." Aus den Honigresten wurde Met gebraut, aus dem Bienenwachs Kirchenkerzen hergestellt – daher waren die Lebzelterei, Metsiederei und Wachszieherei ursprünglich EIN Handwerk. Heute sei Pirker der einzige Lebzeltbetrieb Europas, bei welchem diese Tätigkeiten noch in ihrer Trilogie betrieben und gelehrt würden, erzählt Frau Pirker stolz, während wir unseren Begrüßungskaffee leeren.

Zuckerschrift (neue Größe)ichkoche.at / Julia Schenk

Kurz darauf folgen wir der "süßen" Chefin und dem verführerischen Lebkuchenduft bereits, "immer der Nase nach", in die kleine Backstube: Dort vernaschen wir brandneuen, veganen Pirker Lebkuchen (geschmacklich nicht zu unterscheiden vom traditionellen!), bestaunen die ersten Weihnachtslebkuchen des Jahres und spähen der "kleinen Backstubenleiterin" Claudia faszinierten Blickes beim kunstvollen "beeisen" (=beschriften) von Lebkuchenherzen über die Schulter. "Reine Übungssache… und ein bissl Talent", grinsen die beiden Profis – und das liegt sichtlich in der Betriebsfamilie: "50 000 Herzen hat mein Opa im Jahr beschrieben!", erzählt seine stolze Enkelin & Nachfolgerin Katharina Pirker.

In den Ausstellungsräumlichkeiten des oberen Stockwerks bewundern wir ein wunderschönes, detailgetreues Lebkuchenmodell des Mariazeller Ortskerns, inklusive Basilika. Vor über 10 Jahren angefertigt von "Papa Pirker", musste das hübsche "Lebkuchenmariazell" vor ca. zwei Jahren erstmals erneuert werden: "Die Kinder naschen bei Führungen immer wieder davon, wenn man mal kurz nicht hinschaut…", schmunzelt die Chefin. In Glaskästen werden alte, handgeschnitzte Formen präsentiert: "Früher haben die Lebzelter eigene Modeln geschnitzt", erzählt die Hausherrin und zeigt dabei bekräftigend auf eine der wertvollen Holzformen: "DAS hat mein Opa gemacht!", und es ist… Rätselhaft, wie wir allesamt lachend feststellen müssen. Die verführerisch duftende Welt der Lebzelterei steckt eben voller Geheimnisse – und nicht jedes davon will gelüftet werden… Jedenfalls aber ist es ein bedeutsames Stück Familien- UND Lebzeltgeschichte, das da vor unseren lebkuchenduft-verwöhnten Naschkatzennasen liegt – so viel ist sicher!

Model (neue Größe)ichkoche.at / Julia Schenk

Durch Kostproben der sortimentsneuen "Kokos-Zunge" gestärkt, spazieren wir gemeinsam Richtung "erLebzelterei", deren Eröffnung Katharina Pirker rückblickend als die bislang "spannendste Entwicklung" Ihrer Karriere bezeichnet. Durch puren Zufall übrigens steht dieses Gebäude heute an genau jenem Fleck, wo sich 1846 das "Café Stadt Wien" ihrer Urgroßeltern befand! Heute erwarten den Besucher an dieser Stelle auf 3.500 Quadratmetern Besichtigungsfläche weitläufige, lichtdurchflutete Räume, moderne Baukunst trifft auf traditionelles Handwerk. Über den breiten, gläsernen Besuchergang, hoch über den Köpfen der fleißigen Konditoren und Lebzelter, dürfen "Lebkuchenspa" (Lagerung), "Künstleratelier" (Verzierungen) – die kreativen Details stammen allesamt von der findigen Chefin selbst! – und alle weiteren Produktionsschritte verfolgt werden. Nur "die Gewürzmischung ist das Geheimnis – die kennt auch niemand. Nur mein Mann, der Backstubenmeister Fritz und ich!", erzählt Katharina Pirker, denn: "Die macht, neben dem Honig, den Hauptgeschmack aus." Und weil wir gerade von Honig sprechen: Rund 180 Tonnen verarbeitet der Betrieb pro Jahr, die Hälfte des Pirker Lebkuchenteigs besteht aus reinem Bienenhonig – ein Standard, den heute nur mehr die wenigsten Lebzelter halten können: "Durch den Honig bleibt der Lebkuchen weich, er bekommt die Farbe, den Geschmack, wir brauchen keine Aromastoffe oder Konservierungsmittel beimengen UND er gibt diese ganz besondere Konsistenz!" Noch heute setze man, im Sinne der Qualitätssicherung, bei einigen Zutaten größtenteils auf jene Lieferanten, welchen bereits "der Opa" vertraute.

Die Gewürzmischung ist das Geheimnis – die kennt auch niemand. Nur mein Mann, der Backstubenmeister Fritz und ich!

In der großen, hellen Backstube, welche einen sensationellen Blick auf das Mariazeller Bergpanorama bietet, sind täglich etwa 30 Personen mit der Herstellung, Dekoration und Verpackung der Pirker'schen Köstlichkeiten beschäftigt. Nach wie vor geschieht hier ein Gutteil der Arbeit von Hand, ganz ohne Technik kommt aber selbst der Pirker nicht aus: Unter anderem bestaunen wir meterlange Walz- und Tunkmaschinen, sowie eine Ultraschallschneidemaschine:"Herkömmliche Messer würd' der Honig zu stark verkleben!" Als schließlich ofenfrisches, duftendes Lebkuchensoufflé an uns vorbeigerollt wird, bestätigt Katharina Pirker einmal mehr lachend den Pirker'schen Lebkuchenzauber: "Das hab ich meinem Mann serviert, wie er das erste Mal in Mariazell war… Also: Es ist auch erprobt!" Ja, das Traditionsgebäck spielt hier eine große Rolle: "Lebkuchen ist in Mariazell fast ein Ganzjahresprodukt. Mit Mai, in der Wallfahrtssaison, brauchen wir vor Ort sehr viele Lebkuchen, weil's Tradition ist, diesen mitzunehmen." Ein sogenanntes "B'schoad Binkerl" zum Beispiel: Ein süßer Gruß, um den Daheimgebliebenen von der geschafften Reise Bescheid ("B'schoad") zu geben.

Backstube (neue Größe)ichkoche.at / Julia Schenk

Raus aus der duftenden Backstube, rein in die kuschelig-warme Gaststube: Zurück beim "Pirker am Hauptplatz" erzählt Frau Pirker im gemütlichen Klavierzimmer von ersten, lebkuchenduftigen Kindheitserinnerungen: "Marmorgugelhupf mit Lebkuchenbrösel – das war das erste, das ich mit meinem Großvater selbst fabriziert habe!" Lauscht man ihren liebevollen Schilderungen, möge man fast meinen, er wäre ein richtiges "Familienmitglied", der Pirker'sche Lebkuchen… jedenfalls aber liegen der flotten Hausherrin dessen Würze & Wärme sichtlich im Blut, die Begeisterung für ihren Beruf und die damit verbundene Familientradition ist deutlich zu spüren – und zu SCHMECKEN, denn: Wie einst ihre Mutter, zeichnet heute Katharina Pirker für die zahlreichen, köstlichen Neukreationen des Hauses verantwortlich! 70 Sorten Lebkuchen, sowie mehr als 400 Artikel – von Konfekt bis Schnaps, von Kerzen bis Eis – produziert der Betrieb heute selbst. "Manchmal frag ich mich eh selber, wie wir das alles machen", lächelt die Chefin, "aber: Es läuft!"

Längst ist der Nachmittag angebrochen – Zeit, nach Hause zu fahren. So schnell entlässt uns das warmherzige Firmenoberhaupt sodann allerdings nicht in die heute gar so grauen, regnerischen Gässchen Mariazells: Die Händen randvoll mit Pirker'schen Lebkuchenspezialitäten, bereitet sie uns einen herzlichen und ganz und gar traditionsgemäßen Abschied – wie wir heute gelernt haben, ist es ja schließlich Tradition, von der (Genuss-) Wallfahrt Lebkuchen mit nach Hause zu bringen, um "B'schoad" zu geben. So treten wir schließlich, unser ganz persönliches "Pirker Binkerl" unterm Arm, die Heimreise an...

Und noch Stunden später duftet es immer noch nach… Lebkuchen.

Unser Besuch in Bildern!
Wir durften in die geheimnisvolle Welt der Lebzelterei eintauchen - ein traumhaft duftender, eindrucksvoller Tag liegt hinter uns... Sehen Sie selbst:

Zu Gast bei der Lebzelterei Pirker - das Fotoalbum!

Autor: Maria Lutz / ichkoche.at

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